Bananen brauchen kein Visum

Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges waren noch nie so viele Menschen auf der Flucht wie heute. Täglich hören wir von den Flüchtlingsströmen, doch in unserem Alltag nehmen wir die "Fremden" in unserer näheren Umgebung kaum wahr.

An einem Bildungsanlass in Flawil erhielt ich einen Einblick über das Asylwesen in der Schweiz und bin einmal mehr erstaunt über die für mich unglaublich komplexe Bürokratie unseres Landes. Anschliessend brachte uns eine Fachfrau Migration, die selbst vor 18 Jahren aus Ghana in die Schweiz kam,  den Alltag des Fremdseins näher. Ihre Ausführungen haben mich tief berührt und aufgerüttelt. Mit vielen persönlichen Beispielen verstand sie es, die Ängste, Not und Unsicherheit der Migranten aufzuzeigen. Als erstes, so meinte sie, verlieren die Angekommenen einfach alles. Sie haben kein zu Hause mehr, keine Perspektiven, oft ihre Träume von einem besseren Leben bereits unterwegs verloren. Lernten die Leute in ihren Heimatländern oft auf der Strasse (Sprachen, Erziehung, Kochen, Gesundheitspflege etc.) so lebt hier jeder für sich. Bei uns findet der Alltag im Haus und nicht im Dorf statt. Wir besuchen Sprach-, Koch-, Erziehungskurse hinter verschlossenen Türen. Zur Aufzählung der Familie gehört bei uns der Ehepartner, die Kinder, der Hund und das Haus. In vielen anderen Kulturen sehen die Menschen ihr ganzes Dorf als Familie. Das Wissen wird untereinander weitergegeben. Die Ghanaerin, die viersprachig aufgewachsen ist, erzählte uns von ihren Begegnungen mit der neuen Sprache Deutsch. Erst hätte sie gedacht, dass sie diese Sprache bestimmt nicht brauche, denn sie könne ja Englisch. Nachdem sie jedoch die Bäckerei mehrmals nicht mit ihrem Wunschbrot verlassen musste (niemand verstand hier Englisch) beschloss sie, sich doch der deutschen Sprache anzunehmen. Die Deutschkurse wären Schwerarbeit gewesen und dann zurück auf der Strasse habe sie gemerkt, dass die Leute hier eine andere Sprache benutzten. Niemand hätte ihr gesagt, dass Schweizerdeutsch dann doch nicht zu verstehen sei.

Es folgten weiter Ausführungen über das Schulsystem, den Arbeitsmarkt usw. und ich verstand immer mehr wie schwierig unsere Wertvorstellungen für  Migranten wohl sein müssen.

 

Besonders treffend fand ich die Anmerkung, dass es in Ghana riesige Bananenplantagen gäbe, jedoch nur während ca. 3 Monaten Bananen gegessen würden. Bei uns in den Lebensmittelgeschäften finde man 365 Tage im Jahr Bananen. Diese seien bei uns jederzeit willkommen, bräuchten also kein Visum.

 

Waren wir doch auf unserer Reise in all den fernen Ländern auch Fremde, so durften wir meist herzlichste Gastfreundschaft erfahren. Nicht immer fiel  es uns aber leicht, die Einheimischen, ihr Handeln und Denken zu verstehen. Wir haben uns auf jedes Land intensiv vorbereitet, d.h. wir haben uns in die Geschichte und Kultur sowie auch in die jeweiligen Religionen vertieft und wollten möglichst viel auch von der Bevölkerung über Land und Leben erfahren. Ohne diese Vorarbeit, so glaube ich, wären wir wahrscheinlich noch viel öfter vor Fragezeichen gestanden. 

 

Zurück in der Schweiz sind wir  zwar nicht Fremde, doch unsere Blickwinkel haben sich verändert. Vor bald 8 Monaten haben wir uns hier in Degersheim niedergelassen und immer noch fühle ich mich in der Eingewöhnungsphase. Es fällt mir nicht leicht, mich in unserer Gesellschaft wieder zu finden. Wie kann ich mit all den Geschätigkeiten, der Betriebsamkeit, dem Stress unserer Zeit umgehen? Wo ist für mich die Waage zwischen Konsum und Verzicht ausgeglichen? Wie kann ich mich von Abhängigkeiten lösen? Ich möchte mich nicht manipulieren lassen und doch geschieht mir dies in unserer Konsumwelt tagtäglich. Was macht für mich Sinn? Was brauche ich wirklich um glücklich zu sein? Ich bin Schweizerin, kenne die Gepflogenheiten dieses Landes und doch brauche ich Zeit mich in meinem Heimatland wieder zu Hause zu fühlen. 

 

Wie ist es denn also für Fremde, die aus einem Land kommen, das vollkommen anders funktioniert als die Schweiz? Wie schwierig muss es für diese Menschen wohl sein, ihren Weg der Integration zu finden?

 

Also, gehen wir doch einfach auf unsere Mitmenschen zu, denn Begegnungen schaffen Heimat!

 

Sandra